Erstaunen über die unausgewogene Variantenvorstellung der Stadt

Vor vollem Saal stellte die Stadtver­wal­tung Weimar am 14.11. die Vari­anten zur Umgestal­tung des Sophien­s­tift­splatzes vor. Nach Ansicht viel­er Teil­nehmer kon­nte jedoch von ein­er gle­ich­berechtigten Präsen­ta­tion der Vari­anten keine Rede sein. Viele hat­ten den Ein­druck, als ob lediglich Zweifel zum ›Shared Space‹ gesät und Kri­tik an der Ampel­lö­sung vom Tisch gewis­cht wer­den sollte. 

Kri­tik kam u.a. von Sebas­t­ian Götte, Vor­standssprech­er der Weimar­er Grünen:

Uns ver­wun­dert schon sehr, dass die Stadtver­wal­tung den Shared Space aus Sicher­heits­grün­den ablehnt – dabei existieren mehrere Unter­suchun­gen, dass beson­ders Shared Spaces sich durch eine erhöhte Sicher­heit für alle Verkehrsteil­nehmer ausze­ich­nen. Dadurch entste­ht der Ein­druck, dass man sich mit den Eigen­schaften von Shared Spaces nicht aus­re­ichend auseinan­der geset­zt hat.

Auch scheint man in der Stadt nicht ver­standen zu haben, dass nach aktuellem Stand der Verkehrsun­fall­forschung bei niedri­gen Geschwindigkeit­en die Führung der Rad­fahrer mit dem Autoverkehr die sich­er­ste Lösung darstellt und rück­sichtsvolles Ver­hal­ten begün­stigt. Das spricht klar für den Shared Space.

Bedenken äußerte auch Daniel Schmidt:

Die Stadt negiert die Vorteile der Vari­ante 2 für den Autoverkehr voll­ständig. Dieser kann den größten Teil des Tages mit deut­lich verkürzten Zeit­en, meist sog­ar ohne anzuhal­ten, über den Platz fahren. Eine Ampel­lö­sung kann das nicht leis­ten. So hat die Vari­ante 2 ›Shared Space‹ über fast den ganzen Tag für Autos die höch­ste Qual­itätsstufe A. Diese Infor­ma­tion hat die Stadt den Bürg­ern voren­thal­ten. Eine Antwort darauf, wie man bei der ger­ade geführten Haupt­straße in Vari­ante 1 das Rasen auf der Kreuzung unterbinden möchte, blieb die zuständi­ge Dez­er­nentin den Bürg­ern auch schuldig.

Ines Bolle, Vor­standssprecherin der Weimar­er Grü­nen holt die Fußgänger zurück in den Blick:

Fußgänger wer­den in der Vari­ante 1 man­gels Drän­gel­git­tern nicht vom ille­galen Queren des Platzes abge­hal­ten, die fehlen­den Inseln erhöhen die Gefahr zusät­zlich und die Wartezeit­en an den Ampeln sind viel zu hoch für die begren­zte Geduld von Schulkindern. Nach wie vor müssten bei der Ampel­lö­sung Fußgänger von der west­lichen Seite der Heines­traße 2x kreuzen, um zum Bus­bahn­hof zu kom­men. Bei einem Shared Space gibt es zum einen keine ille­galen Querun­gen mehr und zum anderen erhöht sich die Sicher­heit schwächer­er Verkehrsteil­nehmer wie z.B. von Kindern durch die Höch­st­geschwindigkeit von 20km/h.

Andreas Leps, Frak­tion­schef der Bünd­nis­grü­nen ergänzt zur Sit­u­a­tion für die Radfahrer:

Die Rad­verkehrsange­bote der Vari­ante 1 wirken wie ein Ali­bi und provozieren gefährliche All­t­agssi­t­u­a­tio­nen. Die soge­nan­nte Bypass am The­ater führt zwangsweise zu Kon­flik­ten mit Fußgängern und schafft auch gefährliche Sit­u­a­tio­nen bei der Ein­fädelung der Rad­fahren­den auf der Heine-Straße. In der anderen Rich­tung und bei der Coudraystraße fehlt eine Rad­verkehrslö­sung voll­ständig, die Erfurter Straße erhält keine Rad­streifen. Die querende Aus­fahrt aus dem Bus­bahn­hof direkt auf die Kreuzung erhöht die Umlaufzeit­en, erzeugt Fußgängerkon­flik­te und hat ein hohes Gefahren­po­ten­tial bei regel­widri­gen Verhalten.

Allein die um eine reich­liche halbe Minute länger wer­den­den Querungszeit­en für den Busverkehr aus der Heines­traße zu Stoßzeit­en stellen einen ger­ingfügi­gen Nachteil des Shared Spaces dar. Hier darf man jedoch auch auf die Acht­samkeit der anderen Verkehrsteil­nehmer set­zen, die in den weni­gen Spitzen­zeit­en ggf. einem Bus die Vor­fahrt überlassen.

Mit der Präferenz für die Ampel­lö­sung hat die Stadt die an sie gestell­ten Forderun­gen ein­er sig­nifikan­ten Verbesserung für Fußgänger und Rad­fahrer und ein­er flüs­sigeren Verkehrs­führung über den Tagesver­lauf nicht erfüllt. Sie ignori­ert den in der Stadt allerorten zu hörende Forderung nach ein­er ampel­freien Lösung und legt eine Vari­ante vor, die die Gle­ich­berech­ti­gung der Verkehrsteil­nehmer auf Jahrzehnte hin ver­hin­dert. Ger­ade in Anbe­tra­cht des abse­hbaren Mobil­itätswan­dels wirkt die Vari­ante 1 fest­ge­fahren und anachronistisch.

Allein die Vari­ante 2 bietet in der Gesamt­be­tra­ch­tung deut­liche Vorteile für alle Verkehrsteil­nehmer sowie eine an den baulichen Gegen­heit­en ori­en­tierte Platzgestal­tung. Die gegenüber dieser Lösung geäußerten Sicher­heits­be­denken wirken vorgeschoben und spiegeln das man­gel­nde Ver­trauen in ein ver­ant­wortlich­es Verkehrsver­hal­ten der Weimar­er Bürg­er wieder.